Ad hoc digital Lehren und Lernen: Seminargestaltung für ein ungewisses Sommersemester

Seminar „Zukünftige Lehr-Lernmittel: Einblicke in digitale Schulbücher, Apps und interaktive Arbeitsblätter“

Das Seminar „Zukünftige Lehr-Lernmittel“ beschäftigt, mit welchen Materialien und Methoden im Deutschunterricht gelernt und gelehrt wird und wie sich dies zukünftig ändern könnte oder gar sollte. Im folgenden Blogbeitrag teile ich unsere Überlegungen, dieses Seminar in einem Sommersemester mit unklaren oder gar ganz ohne Präsenzphasen stattfinden zu lassen. Während der Planung habe ich die verschiedenen Ungewissheiten in drei Fragen abgebildet. Diese drei Fragen liefern auch die Struktur für diesen Beitrag: Was? – Wie? – Wo?

Was? Seminarinhalte

Die Inhalte des Seminars bleiben von der neuen Situation unverändert: Zum Einstieg werden aktuelle Debatten über den Einsatz verschiedener Lehrmittel im (Deutsch-)Unterricht reflektiert; anschließend folgt eine umfassende Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Möglichkeiten digitaler und analoger Lehrmittel und -methoden in der Schule allgemein (Lehrbuch, Tafelarbeit, Hausaufgaben) und fachspezifisch im Deutschunterricht. Anhand dieser vielfältigen Beispiele wird reflektiert, was gute Lehrmittel ausmacht, welche Lehrmittel didaktischen und methodischen Ansprüchen standhalten und wie die Potenziale zeitgemäßen Lehrens und Lernens genutzt werden können.

Wie? Kollaborativ, kreativ – und asynchron?

In Präsenz hätten die Studierenden selbstständig Produkte und Ideen kennenlernen und ausprobieren sowie gemeinsam Kritiken formulieren sollen. Es ist grundsätzlich denkbar, die geplante Struktur des kollaborativen Arbeitens und Lernens direkt auf das Digitale zu übertragen: Beginnend mit einem Kurzen Vortrag in einer Videokonferenz mit allen Studierenden, anschließend Aufteilen in Gruppen mit jeweils einem individuellen digitalen Arbeitsraum (so die Bezeichnung bei Adobe Connect). Dort besprechen die Studierenden selbstmoderiert gemeinsam mit Hilfe einer Arbeitsoberfläche (z.B. dem Multi-User-Whiteboard bei BigBlueButton) die jeweiligen Aufgaben und entwickeln eine eigene Lösung. Diese wird im Anschluss den anderen Gruppen und der Seminarleitung vorgestellt, zusammen werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Ergebnissen diskutiert.

Aufgrund von drei Nachteilen habe ich mich gegen ein solches synchrones Vorgehen entschieden:

  1. Es begrenzt und verknappt die Arbeitszeiten: Das wiederum verschlechtert die Tiefe und Kreativität in der Auseinandersetzung.
  2. Es schränkt die Vielfalt der Arbeitsmittel und Arbeitsweise unnötig ein:Ich gebe gern Vorschläge, wo und wie digital kollaboriert werden kann. Eine Vorgabe, wo, wie und wie lang gearbeitet werden muss, ist allerdings, auch mit Blick auf 3., unsinnig:
  3.   Es kostet mehr Vorbereitungszeit und bringt wegen der größeren Serverlast eine große Gefahr eines technischen Ausfalls mit sich: Als Reaktion auf die Ausfallgefahr wäre ohnehin eine alternative Planung mit möglichst dezentraler Architektur und asynchroner Arbeit nötig. Warum also nicht gleich so?

Damit stehen als Prinzipien für die Seminararbeit fest, dass möglichst kollaborativ, kreativ und asynchron gearbeitet werden soll. Mit so viel Freiheit ist beim Blick auf die folgende Struktur deshalb vielleicht überraschend, wie kleinschrittig die Vorgaben sind

Aufbau der wöchentlichen Sitzungen des Seminars (Bildquelle: Bernhard Franke, [D-3]. Lizenz: CC BY-SA 4.0)

Überschrift: Aufbau der wöchentlichen „Sitzungen“
rechts ist eine Grafik bestehend aus 5 abgerundeten Formen:

Zwei oben in blau, beschriftet mit „Videosprechstunde“ und „Reflexion im E-Portfolio“.
Darunter sind 3 Formen, die zu einem Kreis ineinandergreifen. In grün: Input, in grau: Aufgabe, in rot: Feedback.

Links sind die drei Punkte genauer erklärt:

Input per Video

  • Ein Problematik grundlegend vorstellen

Aufgaben zur Selbstarbeit

  • Grundlagen des kooperativen Lernens folgen
  • Peerfeedback einbauen
  • Produktive Auseinandersetzung ermöglichen

Exemplarisches Feedback per Video

  • Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Antworten hervorheben
  • Anregungen zur Vertiefung geben
  • Fehler korrigieren

Auf Grundlage dieser Überlegungen habe ich den folgenden Workflow für das Seminar entworfen: Den Input zu einem neuen Thema können die Studierenden als Video auf dem LMS der Hochschule anschauen. Der Input führt hin zu einer Reihe von Aufgabenstellungen, die die Studierenden in den nächsten 5 Tagen bearbeiten sollen. Die Ergebnisse verlinken die Studierenden im LMS. In einem weiteren Video werden die Ergebnisse der Vorwoche exemplarisch zusammengefasst (siehe Philippe Wampflers kurzes Video zum exemplarischen Feedback).

Ergänzend zu diesem Feedback wird eine wöchentliche Videosprechstunde (mittels WebEx) angeboten. Das ist bei diesem Seminar mit Blick auf die vielfältige Technik, die ausprobiert werden wird, voraussichtlich besonders wichtig. Hier können allgemeine und aufgabenbezogene  Schwierigkeiten besprochen und Anregungen der Studierenden mündlich angebracht werden.

Wo? - Plattform und Tools

Grundsätzlich können alle Teile des Seminars mittels universitärer Informatiksysteme realisiert werden: die Aufnahme der Input- und der Feedbackvideos mittels Screencasts und Präsentationsaufzeichnung, das Verteilen und Einholen der Aufgaben mittels des Lernmanagementsystems ILIAS, die Videosprechstunde per Webex oder DFNconf. Auf denselben Plattformen kann auch die Arbeit der Studierenden stattfinden, wobei es wie gesagt, den Studierenden freigestellt ist, wie und wo sie arbeiten. 

Ausblick und offenen Fragen

Auch nach dieser ersten Planung bleiben viele Dinge offen. Klar ist, dass das vor uns liegende Sommersemester für Lehrende wie für Lernende noch viele besondere Herausforderung darstellt. Die meisten davon wurden hier noch nicht angesprochen. Für die Lehrenden sehe ich etwa bei der Aufgabenformulierung besondere Bedeutung für ein Gelingen des kommenden Semesters. Diese wird essenziell dafür sein, über das Semester hinweg Motivation zu finden und zu halten, wenn auf die für alle neue, unsichere Situation nicht mit Kontrollmechanismen reagiert werden soll, sondern eigenverantwortliches, produktives und kreatives Lernen das Ziel ist.

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